Women Empowerment

"Ich rufe die nächste Generation junger Frauen auf, die Welt mit Ihrem Mitgefühl zu revolutionieren, welches dieses Jahrhundert so dringend braucht."

-  His Holiness, the Dalai Lama -

Zeit zu reflektieren

Seit ich vor ein paar Wochen am Indischen Ozean in Goa angekommen bin, habe ich viel Zeit damit verbracht, über das letzte Jahr nachzudenken und wo ich mit Shanti Treks hin will auf lange Sicht. Ich möchte, dass Shanti Treks nicht nur Arbeit ist. Ich möchte, dass es ein Spiegelbild meines Lebens, eine Verkörperung meiner Werte, eine Reise sinnvollen Wachstums und ein zutiefst erfüllendes Streben ist. Ich möchte, dass Shanti Treks ein großartiger Teil meines Lebens ist, in den ich eintauche, durch den ich Dinge bewegen kann und der zu meinem Vermächtnis wird.

Mitte des letzten Jahres war es mein größtes Ziel, den Überblick zu behalten und bei all dem Neuem nicht unterzugehen. Im Nachhinein fühlte es sich an wie ein wilder Ritt auf einem jungen Pferd, welches ich nach ein paar anfänglichen Buckeln irgendwie unter Kontrolle bekam. Mittlerweile bin ich an einem Punkt angelangt, an dem alles möglich erscheint, alle auftauchenden Hindernisse lösbar sind und das Leben wie ein freudiger Ritt mit einer Fülle von Möglichkeiten ist.

An diesen Punkt bin ich jedoch nicht komplett aus eigener Kraft gelangt, und das Schöne daran ist, dass ich es nicht musste. Eine meiner wertvollsten Erkenntnisse des letzten Jahres ist, dass es kein Zeichen von Versagen ist, um Hilfe zu bitten, sondern dass es tatsächlich ein schönes Gefühl ist, Unterstützung von Menschen zu erhalten, die mich lieben und an mich glauben. Lange Zeit habe ich geglaubt, ich müsse stark sein und dürfe keine Schwäche zeigen, und wenn ich jetzt darüber nachdenke, kann ich nicht einmal sagen, warum ich das dachte. Ich schämte mich ein wenig zuzugeben, dass ich bis Ende 2023 nur wenige Buchungen hatte und Touren absagen musste, weil niemand sie buchte. Im letzten Jahr habe ich gelernt, dass Verletzlichkeit bedeutet, sich für Liebe, Fürsorge und Unterstützung zu öffnen, und dass es ein sehr gutes Gefühl ist, von Liebenden umsorgt zu werden.

Warum Women Empowerment

Eine stützende Säule in meinem Leben war schon immer meine Familie. Ich bin sehr dankbar, dass ich in meiner Berufswahl stets absolute Entscheidungsfreiheit und eine uneingeschränkte Akzeptanz meines Privatlebens genossen habe. Das hört sich vielleicht normal an, aber nachdem ich viel Zeit in Indien und Nepal verbracht habe, bin ich mir sehr bewusst, dass viele Menschen, und insbesondere Frauen, keine so freie Wahl oder Akzeptanz erfahren. Sie haben oft nicht einmal die Wahl, mit wem sie ihr Leben verbringen. Eltern treffen diese Entscheidungen für sie und damit ist ihr Lebensweg in Stein gemeißelt.

Unter Women Empowerment, auf deutsch „Stärkung der Frauen“  verstehen die Vereinten Nationen (die UN) den Prozess, Frauen zu ermöglichen, Entscheidungen selbst zu treffen und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Die UN versteht Women Empowerment als fundamentales Menschenrecht. Einige meinen, der Begriff wird inzwischen inflationär genutzt, aber ich glaube, dass das Gegenteil der Fall ist – wir sprechen noch nicht genug drüber und Frauen werden immer noch nicht genug unterstützt, um ihr Leben selbst zu bestimmen. Für mich gibt es nichts Erbaulicheres, als junge Frauen zu sehen, die über den Tellerrand schauen, Grenzen überschreiten und entgegen die Norm leben. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis ich auf ein Projekt im Bereich Women Empowerment stoße, bei dem ich mich engagieren möchte. Und zufällig geschah das in Nepal kurz vor Weihnachten.

Die Akasha Academy

Eine Bekannte schlug vor, dass ich während meiner Zeit in Kathmandu die Akasha Academy besuchen sollte. Nach meinem Shanti Trek rund um Manaslu im November (lies mehr dazu hier) hatte ich ein paar freie Tage und besuchte die Akademie mit Surya, dem Bergführer, mit dem ich alle meine Wanderungen in Nepal organisiere, und ein guter Freund von mir. Ich fand keine Zeit, mich vorab über das Projekt zu informieren, und hatte daher überhaupt keine Ahnung, was mich erwarten würde. Ich erinnere mich auch, dass ich vor dem Besuch nicht besonders motiviert war, aber meine Bekannte insistierte, das Projekt zu besuchen, und ich hatte das Gefühl, ich sollte das machen. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dieser Intuition zu folgen, und es war genau richtig. Als ich die Artisan Bakery von Akasha betrat, wo ich das Projektteam traf, verspürte ich eine warme und positive Energie. Es fühlte sich an, als würde man alte Bekannte treffen.

Die Akasha Academy ist eine vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderte Nichtregierungsorganisation (NGO) mit Sitz in München. Sie hat einen weiteren Stützpunkt in Kathmandu und bietet dort ein zehnmonatiges Berufsausbildungs- und Orientierungsprogramm für junge nepalesische Frauen an. Ziel des Programms ist es, den Teilnehmerinnen dabei zu helfen, ihre Fähigkeiten zu entdecken, ihren eigenen Weg im Leben zu finden, aktuelle Herausforderungen zu verstehen und zu positiven Veränderungen in ihrem Umfeld beizutragen. Mit Shanti Treks möchte ich interessierten Teilnehmerinnen die Möglichkeit geben, die offizielle Trekking-Guide-Lizenz für Nepal zu erhalten. Dazu gehört ein 45-tägiges Schulungsprogramm unter der Leitung der Trekking Agencies Association of Nepal (TAAN), der offiziellen Einrichtung der Regierung.

Mehr Frauen in die Berge

Bei unserem ersten Besuch lernten Surya und ich das Team kennen, erfuhren vom Traineeship-Programm, trafen einige der Studentinnen und wurden von Tabea, der Programmkoordinatorin, über das Gelände geführt. Der erste Samen war gesät. Anschließend habe ich diese erste Begegnung mit Surya reflektiert, er teilte meine Ansichten und wir waren uns beide einig, dass wir uns gemeinsam engagieren wollen. Schon als ich Tabea bei unserem Rundgang durch das Gelände zuhörte, kam mir die Idee, junge Frauen zu finden, die Interesse daran haben, Wanderführerin zu werden, und sie in Kollaboration mit Akasha’s Traineeship auszubilden.

Eine Woche später traf ich mich erneut mit dem Führungsteam der Academy  und stellte meine Idee vor. Wir überlegten, wie wir ein solches Trekking-Praktikum ermöglichen könnten und einigten uns auf einen Rahmen. Während meiner Trekking Tour in der Everest Region (lies mehr dazu hier) erhielten Surya und ich eine Einladung von der Akasha Academy, unser Programm den aktuellen Studentinnen bei einer Veranstaltung in ihren Räumlichkeiten vorzustellen. Daher bin ich zügig ins Tal abgestiegen und kam ein paar Tage früher nach Kathmandu, um mir diese Gelegenheit nicht entgehen zu lassen. Es war ein wunderschöner Nachmittag voller junger nepalesischer Frauen, die unter anderem traditionelle Tänze aufführten. Ich habe es genossen, all diese starke positive Energie bei der Veranstaltung zu spüren und wurde sogar ein wenig emotional, als ich den jungen Frauen unsere Pläne vorstellte. Ich erinnere mich, wie ich vor ihnen stand und in so neugierige, erwartungsvolle Gesichter blickte. Und vorallem erinnere ich mich daran, wie gut sich das angefühlt hat. Im Anschluss freuten Surya und ich uns, mit zwei Frauen zu sprechen, die sofort Interesse zeigten, mehr über unser Vorhaben zu erfahren.

The Future is Female

Mit Blick auf die Zukunft werden Surya, ich und interessierte Auszubildende im März gemeinsam eine Trekking Tour in der Annapurna Region unternehmen. Surya zeigt mir eine neue Route für unseren Shanti Trek im Frühjahr 2026 und wir werden die Trekkingtage mit den Auszubildenden nutzen, um gute Kandidatinnen für unser Praktikumsprogramm zu finden. Für die Auszubildenden ist es die Chance, in die Berge zu gehen, ihre Leidenschaft zu leben und zu sehen, ob dieser Berufsweg etwas für sie ist. Die ausgewählten Praktikanntinnen beginnen dann im Juli ihre 45-tägige Ausbildung mit TAAN.

Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung werden die Auszubildenden im Rahmen ihres Pflichtpraktikums der Trekkingführer*Innenausbildung im November auf unserem Shanti Trek dabei sein (mehr Infos hier). Für sie ist es eine gute Möglichkeit, ihre Englischkenntnisse zu verbessern, zu lernen, wie man einen Trek organisiert und eine Gruppe führt, mit Gästen interagiert und kulturelle Unterschiede versteht. Im Gegenzug werden sie unseren Gästen einen faszinierenden Einblick geben können, was es bedeutet, als Frau in Nepal aufzuwachsen und zu leben.

Es ist fast beängstigend, wie die Dinge manchmal einfach perfekt ineinandergreifen. Mit Shanti Treks wollte und habe ich die Vision, Frauen dabei zu unterstützen, ihren Weg zu finden und ihre Träume und Ambitionen zu verwirklichen, genau wie ich. Und hier stolpere ich in die Artsan Bakery und finde die perfekte Gelegenheit, genau das zu tun. Manchmal richten sich die Sterne ideal aus.