Das Reich der Fanes
2055 m



Dolomiten
Südtirol, Italien

Das sagenumwobene Königreich Ladiniens

Von Innsbruck eine halbe Tagesreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar liegt versteckt in einem Seitental das Reich der Fanes, das sagenumwobene Königreich Ladiniens. Wir starten unseren Schneeschuh-Grundkurs in Pederü und wandern langsam die Fahrstraße Richtung Lavarella und Fanes Hütte empor. Die beiden Hütten liegen auf einer Alm sich direkt gegenüber und beeindrucken mit ausgesprochener Gastfreundlichkeit, hohem Komfort und fantastischer ladinischer Küche. Wir verbringen jeweils drei Nächte auf beiden Hütten und sind begeistert. Am Ende können wir kaum entscheiden, welche der beiden Hütten uns besser gefallen hat. 

Luxus pur

Die Zimmer beider Hütten warten mit frischer Bettwäsche und Handtüchern auf. Duschen kann man umsonst, was von den Gästen auch bis zum kompletten Warmwasserverbrauch genutzt wird. Da bewähren sich die, von den Alpenvereinshütten bekannten, kostenpflichtigen Duschmarken, welche die Menschen zur Wassersparsamkeit anregen. W-Lan gibt es auf beiden Hütten – ein Segen für die Tourenplanung, ein Fluch für die Geselligkeit. Auch einen Gepäcktransport vom und ins Tal gibt es morgens und nachmittags. Das alles ist man von den typischen Alpenvereinshütten in Deutschland und Österreich nicht gewohnt und wir diskutieren einen Abend angeregt, wieviel Luxus am Berg denn eigentlich nötig ist. Diese Annehmlichkeiten haben natürlich auch seinen Preis, die Übernachtung mit Halbpension ist gut ein Drittel teurer als im deutschen und österreichischen Alpenraum, dennoch stimmt das Preis-Leistungsverhältnis, wie wir finden. Während ich auf den Luxus von W-Lan, Duschen und Gepäcktransport verzichten kann, bin ich von dem fantastischen Essen und Frühstücksbuffet begeistert. Die Landschaft selbst verzaubern mich in den sechs Tagen, die wir dort oben verbringen, zudem gänzlich, sodass ich auf unseren wunderbaren Touren bereits beginne Pläne für neue Schneeschuhtouren zu schmieden.

Abseits gesicherter Pisten

Eine bekannte Dolomitensage erzählt von königlichen Bündnissen mit Adlern und Murmeltieren und ist auf dem Hochplateau spürbar allzeit präsent. Hinter der Lavarella Hütte beginnt, zum Beispiel, der Märchenwald und Richtung Heiligkreuzkofel kann man im Winter die Fanesburg mit Schneeschuhen besteigen, welches tatsächlich an ein steinernes Schloss erinnert. Zunächst widmen wir uns aber der Lawinenverschüttetensuche (LVS) und üben einen ganzen Tag auf der Hochebene der Sarenes, direkt hinter der Lavarella-Hütte, den Umgang mit unseren LVS-Geräten. Trotz frühlingshafter Temperaturen im Tal, finden wir auf der Fanes noch einen Meter Schnee, der morgens auch noch gut begehbar ist. Nur nachmittags brechen wir bei Plusgraden und starker Sonneneinstrahlung mit unseren Schneeschuhen in der aufgewärmten Schneedecke regelmäßig ein. So stehen wir jeden Morgen etwas früher auf, um die besten Schneeverhältnisse auf unseren Touren zu nutzen.

Die Fanesburg

Nachdem die Teilnehmenden den Ernstfall einer Lawinenverschüttung ausgiebig geübt haben, machen wir uns an die Tourenplanung zur Fanesburg unter Berücksichtigung des Lawinenlageberichts und Orientierung im weglosen Gelände. Hinter der Lavarella Hütte beginnt eine Hochebene, die im Winter an eine Mondlandschaft erinnert und mit der Schildkröte (Col Toronn), der Fanesburg und dem Heiligkreuzkofel aussichtsreiche und weitestgehend lawinenfreie Tourenziele bietet – ein wahres El Dorado für die selbständige Orientierung und zum Anlegen einer Spur im unberührtem Schnee. So dienen den Teilnehmenden lediglich die Wanderkarte, Höhenlinien und markante Felsformationen als Orientierung und schulen die Sinne neu, die dank Google Maps und GPS in heutiger Zeit oft etwas eingerostet sind. Die natürliche Orientierung ohne elektronische Hilfsmittel liegt mir in der Ausbildung besonders am Herzen, da man sich, wenn man sie beherrscht, richtig frei fühlt und vor allem sicher in den Bergen unterwegs ist. Beim selbständigen Spuren wird bewusst, wie langsam man im Winter vorankommt, wenn noch keine Spur angelegt ist, der man folgen kann. Die Teilnehmenden schlagen sich tapfer und navigieren unermüdlich durch unbekanntes und unberührtes Gelände, während ich über die Tage immer seltener von hinten Hilfestellung leiste.

Monte Castello

Aber auch die pure Freude am Erlebten darf in solch einer Ausbildungswoche nicht fehlen. So übernehme ich auf unserer letzten Tagestour wieder die Führung und wir verlassen recht früh als erste Gruppe die Hütte Richtung Monte Castello. Die alte Militärstraße passieren wir zügig und fallen in ein gleichmäßiges Tempo. Jeder hängt seinen Gedanken nach und es ist nur das Knirschen des Schnees zu hören. Zum Castello geht es über mäßig steile Hänge empor und wir bewegen uns geschmeidig durchs Gelände, als wären wir ein Teil davon. Für mich fühlt es sich an wie eine Meditation. Das sind die ganz großen Tage am Berg, wenn alles passt – das Timing, das Tempo, und die Gruppe. In vorgespurtem Gelände ist es daher nicht verwunderlich, dass wir früher als geplant an der Biwak Box unterhalb des markanten Felsen des Monte Castello ankommen. Deutlich kälter ist es hier oben, sodass wir nur kurz verweilen, uns aber einig sind, im Sommer nochmal zum Biwakieren in die kleine Holzhütte zurückzukehren. Erst auf halber Strecke zurück zur Hütte begegnen wir ein paar Skitouren-Gruppen. Bis dahin waren wir ganz allein am Berg – ein seltenes Erlebnis in den doch sehr bekannten Dolomiten und ein Grund mehr, den Tag in ganz besonderer Erinnerung zu behalten.

Yoga auf 2000 Metern

Zurück an der Hütte erwartet uns ein ganz besonderes Schmankerl – unscheinbar auf der Rückseite der Hütte steht eine kleine Jurte in der ab und zu Yogastunden angeboten werden. Heute ist ein solcher Tag und ich genieße die eineinhalb Stunden Yoga auf über 2000 Metern. Als Daniela, die Tochter des Hüttenwirts, die Stunde mit einem dreimaligen „Shanti“ beendet, geht mir das Herz über und die Augen werden etwas feucht. Hier auf der Fanes, habe ich wieder einen dieser besonderen Orte in den Alpen gefunden an den ich gerne zurückkehren möchte.

Auf ein baldiges Wiedersehen

Und weil es so schön ist, machen wir am Abreisetag noch eine Tour zur Kreuzkofelscharte und genießen den fantastischen Ausblick auf die Marmolata und den Rosengarten. Den Abstieg ins Tal verkürzen wir uns mit ausgeliehenen Schlitten von der Hütte, die für Hausgäste am letzten Tag sogar kostenlos sind. Mühelos lassen sich diese ins Tal lenken und wie die wunderschöne Landschaft zieht das Erlebte der letzten Woche auf dem Weg nach unten noch einmal vor dem inneren Auge vorbei.