Im Rythmus der Berge
Wandern und Yoga auf der Potsdamer Hütte
- Hermann Hesse -
Ein goldenes Geschenk des Herbstes
Es war einer dieser goldenen Herbsttage. Die Wettervorhersage für unsere Wander- und Yogawoche auf der Potsdamer Hütte war gemischt, doch es gibt in den Bergen immer mindestens einen strahlenden Tag, der die launischen Tage wieder ausgleicht. Und selbst die leicht verregneten, wolkigen Tage haben ihren eigenen Zauber. Tage, an denen die Stimmung des Wetters die eigene widerspiegelt und man den Blick nach innen richten kann.



Wenn die Stille mitwandert
Unser letzter Wandertag war jedoch nicht einer dieser stillen, nach innen gerichteten Tage. Ganz im Gegenteil. Die Sonne kehrte in voller Kraft zurück und ließ die Herbstfarben in ihrer ganzen Pracht leuchten. So spät in der Saison sind die Hütten weniger besucht, der Sommertrubel ist vorbei, und nur noch wenige Wandernde machen sich auf den Weg in die Alpen. Zunächst begegneten uns noch ein paar Trekkende auf dem Weg zur nächsten Hütte, doch bald hatten wir die hochalpinen Weiden für uns allein und machten uns stetig auf zum Gipfel. Die Ruhe des Weges übertrug sich auf die Gruppe, und wir wanderten lange Strecken schweigend – jede für sich, in Gedanken versunken und die fast meditative Stille genießend.



Der seltene Luxus unbeschleunigter Zeit
Kein Wunder, dass der Gipfel früher erreicht war, als erwartet. Wir blieben lange dort oben, sogen die Aussicht in uns auf, schauten in die Ferne und gönnten uns sogar ein kleines Nickerchen – welch ein Luxus. Es ist die Art von Zeit, die im Alltag so oft fehlt. Alles läuft in einem solchen Tempo, dass wir jene Momente verpassen, in denen es nichts zu tun gibt, außer einfach im Hier und Jetzt zu sein. In den Bergen, ohne Empfang, ohne Nachrichten, ohne die ständige Ablenkung durch unsere Handys, wird Gegenwärtigkeit selbstverständlich.
Schon zu Beginn der Wanderwoche hatte ich mir bewusst vorgenommen, mein Handy zur Seite zu legen und es nur gelegentlich für den Wetterbericht zu nutzen. Anfangs war da noch der Impuls, es aus Gewohnheit zu greifen – um Nachrichten zu checken oder gedankenlos zu scrollen. Doch mit den Tagen veränderte sich etwas. Mein Kopf klärte sich, das Rauschen der ständigen Updates verklang, und an seine Stelle trat eine tiefe Klarheit.



Ein Balkon über der Welt
Der Gratweg zum zweiten Gipfel fühlte sich an wie ein Spaziergang über einen Balkon mit atemberaubender Aussicht in alle Richtungen. Das sind jene Momente, die man im Gedächtnis festhalten möchte, um sie mit nach Hause zu nehmen und hervorzuholen, wenn der Alltag wieder überhandnimmt. Am zweiten Gipfel erschien eine geführte Meditation wie das Natürlichste überhaupt: Stille, weite Horizonte, eine Gruppe gleichgesinnter, herzlicher Menschen. Ein Raum, in dem man zu der reinsten Art des eigenen Blicks zurückfindet. Ein Ort des Loslassens, des Manifestierens, des Auftankens – und des Zurückkehrens mit neuer Vision. Eine Leichtigkeit, die noch lange anhält.



Yoga, das die Berge beflügelt
Der Tag endete im Yogaraum der Hütte mit einer wohltuenden Yin-Einheit, die unsere müden Muskeln dehnte und jede Anspannung löste. Ich praktiziere regelmäßig Yoga, meist zwei- bis dreimal pro Woche, wenn es die Zeit zulässt. Doch niemals finde ich denselben klaren Geist wie in den Bergen. Eine Yogastunde in wilder Stille, umgeben von Natur, wiegt mehr als zwanzig im Tal.



Die stille Kraft der Einfachheit
Als Mie und ich auf unsere Woche Yoga und Wandern an der Potsdamer Hütte zurückblickten, wurde uns bewusst, wie viel auch wir aus dieser Zeit mitgenommen haben. Nur zwei Gäste hatten sich angemeldet, doch ich wollte die Tour unbedingt durchführen, weil ich zutiefst an die Kraft der Verbindung von Wandern und Yoga glaube. Die Tour war einfach: Wir legten keine riesigen Distanzen zurück und erklommen keine schwierigen Gipfel. Doch am wertvollsten waren die stillen Momente des Yoga und der Meditation. Sie, so glaube ich, schenkten unseren Gästen das stärkste Gefühl von Frieden und Erfüllung.




Ein Schritt in etwas Neues
Bereits im August leitete ich mein erstes Yoga- und Wanderwochenende allein: zum ersten Mal unterrichtete ich Yoga für meine Gäste und begleitete sie nebenbei mit meinen ersten Mantren auf der Ukulele. Es war gleichermaßen aufregend und berührend, in diese Rolle hineinzuwachsen, und ich war dankbar für das Vertrauen und die Offenheit der Gruppe. Dieses Wochenende fühlte sich für mich nach dem Beginn eines neuen Kapitels an.
Yoga ist seit fünfzehn Jahren mein fester Anker, der mich durch Zeiten von Stress, Veränderung und Übergang getragen hat. In letzter Zeit habe ich außerdem die Freude wiederentdeckt, die mir das Singen und die Musik schon als Kind schenkten. In diesem Frühjahr absolvierte ich meine zweite Yogalehrer-Ausbildung und brachte mir selbst das Ukulelespielen bei.
Daher möchte ich mich künftig noch stärker auf die heilsame Kraft des Draußenseins und der Natur konzentrieren. Im kommenden Frühjahr beginne ich eine Coaching-Fortbildung. Auf meinen zukünftigen Yoga- und Wanderreisen möchte ich professionelle Werkzeuge daraus einfließen lassen: durch Momente der Reflexion in der Natur, einfache Übungen für Erdung und Ruhe und kleine Impulse, die innere Ressourcen stärken. Mein Ziel ist es, dass Gäste nicht nur Frieden in den Bergen finden, sondern auch konkrete Werkzeuge mit nach Hause nehmen, um dem Stress des Alltags mit mehr Klarheit und Gelassenheit begegnen zu können.



