Watzmann – Drei Zinnen

Meine erste Alpenüberquerung mit einer reinen Männergruppe

"Das Leben beginnt außerhalb Deiner Komfortzone"

Alpenüberquerung neu gedacht

Lange Zeit stand ich der Idee einer Alpenüberquerung skeptisch gegenüber. Seit ich als Bergwanderführerin arbeite, hatte ich meine Vorbehalte – vor allem wegen des wachsenden Hypes und der weit verbreiteten Praxis, einzelne Etappen mit dem Taxi zu verbinden. Das Ganze wirkte auf mich zu kommerzialisiert, zu zerstückelt. Weit entfernt von dem puristischen Bergerlebnis, das ich meinen Gästen bieten möchte. Deshalb war eine klassische Alpenüberquerung bisher nie Teil des offiziellen Programms von Shanti Treks.

Doch dann meldete sich die Freundin einer Freundin. Ihr Mann hatte einen runden Geburtstag, ein lang gehegter Wunsch stand im Raum: einmal zu Fuß die Alpen überqueren. Einige seiner Freunde wollten ihn begleiten. Ich war neugierig und zugleich geehrt. Es war meine erste private Gruppenbuchung, und ich hätte nicht stolzer sein können, als die Männer sich entschieden, mit mir loszuziehen.

Ein Ort, an dem Frauen sich gesehen fühlen

Die meisten meiner Gäste bei Shanti Treks sind Frauen. Ich denke, das liegt zum Teil daran, dass ich selbst eine Frau bin und mein Angebot eine ruhigere, achtsamere Gangart vermittelt – eine, die das Verbundensein mit der Natur in den Mittelpunkt stellt, statt Leistung oder Grenzerfahrung. Diese Energie spricht offenbar eher Frauen an.

Ich habe aber auch schon viele Erfahrungen mit Sexismus in den Bergen gemacht. Vor ein paar Monaten schrieb ich einen sehr wütenden Blogartikel, nachdem ich wieder einmal von männlichen Wanderern belächelt und in Frage gestellt wurde: ob meine Lizenz überhaupt gültig sei, ob ich wisse, was ich tue. Zum Glück lasen mein Vater und meine Schwester vorab Probe und rieten mir zur Zurückhaltung. Ich habe den Artikel nicht veröffentlicht. Ich habe in der Vergangenheit des Öfteren darüber nachgedacht, Shanti Treks ausschließlich für Frauen anzubieten. Die Erfahrungen mit weiblichen Gästen waren durchweg bereichernd, während es mit männlichen Teilnehmern oder Bergbegegnungen immer mal wieder Enttäuschungen gab. Als Frauen haben wir so wenig Raum, in dem wir in der Mehrheit sind. Orte, an denen wir uns wirklich gesehen und getragen fühlen. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, so einen Raum in den Bergen zu schaffen. Doch als die Anfrage der Männergruppe kam, habe ich diese Idee vertagt. Heute bin ich froh darüber.

Wenn Erwartungen übertroffen werden

Schon vor Beginn der Tour hatte ich ein gutes Gefühl bei der Gruppe. Wir telefonierten einige Male, sie waren wissbegierig, wollten alles zu Packlisten, Hütten, Streckenprofilen wissen. Ihre Freude war spürbar – ebenso wie ihr Respekt. Zu Beginn war die Energie noch etwas unruhig – das Tempo uneinheitlich, jeder musste erst einmal seinen eigenen Rhythmus finden. Das ist ganz normal und erlebe ich auf vielen meiner Touren. Es dauert einfach ein wenig, bis sich die Gruppe einpendelt. Die ersten Tage bestanden darin, Strukturen zu schaffen: Wasser auffüllen, Ausrüstung checken, nichts in der Hütte vergessen. Doch schon bald klickte es. Sie fanden ihren Rhythmus und fingen an sich wie ein Rudel fortzubewegen.

Jeder fand seine Rolle: Der Stimmungsmacher, der Tier-Beobachter, der Genießer, der Wissbegierige, und der in sich Ruhende. Und ich? Ich wurde nicht infrage gestellt. Ich war die, die vorne wegging. Ihr Guide. Besonders berührt hat mich, wie sie jeden Abend nach unserer Yoga-Einheit fragten. Sie wussten, wie gut es ihnen tat. Diese Offenheit, diese Lernbereitschaft – es war ein Geschenk, sie zu begleiten.

Und darüber hinaus war es für sie ein ganz besonderes Erlebnis als Freunde. Nicht alle kannten sich und für viele war es lange her, dass sie so viel ununterbrochene Zeit miteinander verbracht hatten – ohne Familie, ohne Arbeit, ohne ständige Ablenkung. Einfach gemeinsam unterwegs sein. Reden. Lachen. Probleme lösen. Es war eine dieser besonderen Gelegenheiten, in der man wieder tiefer miteinander in Verbindung treten kann – ehrlich, ungestört und tief. Ein Geschenk, das gern die Berge machen. So unterschiedlich sie auch waren, als Gruppe harmonierten sie. Wie so oft bei Shanti Treks treffen Menschen aus verschiedenen Lebensbereichen aufeinander, verbunden durch die gemeinsame Begeisterung für die Berge. Das ist das Schöne am Trekken: Man lässt den Alltag hinter sich, spürt den eigenen Körper wieder, und staunt über die Natur. Und das alles mit wenig Gepäck, im T-Shirt vom Vortag und ohne sich um sein Aussehen zu scheren.

Eine Tour, die jede Mühe wert ist

Unsere Route führte uns vom Watzmann zu den Drei Zinnen – eine wunderbare Route durch wechselnde Landschaften und anspruchsvolles Gelände. Wir starteten am Königsee in Berchtesgaden und durchquerten das Steinerne Meer über das Kärlingerhaus und das Riemannhaus. Dann erfolgte ein markanter Wechsel, als wir den Nationalpark Hohe Tauern in Österreich erreichten – mit seinen schroffen Gipfeln und steilen Hängen. Wir übernachteten auf der charmanten, privat geführten Trauneralm und im ikonischen Glocknerhaus. Beim Übergang nach Italien veränderte sich das Gelände erneut. Die Dolomiten empfingen uns mit ihren markanten Felswänden und einer fast mondähnlichen Landschaft. Unsere letzte Nacht verbrachten wir in der Drei-Schuster-Hütte, direkt unterhalb der beeindruckenden Drei Zinnen – ein würdiger Schlusspunkt dieser Reise.

Doch diese Route sollte keinesfalls unterschätzt werden. Die Pfandlscharte – die Schlüsselstelle der Tour – mit ihrem ganzjährig vorhandenen Schneefeld und der Gefahr von Steinschlag, erfordert besondere Vorsicht. Ebenso fordernd sind die schweren Rucksäcke, die langen Tagesetappen und die körperliche Belastung von sieben Tagen zu Fuß. Es ist eine anstrengende Tour. Aber ich liebe es, meine eigenen Grenzen zu testen und andere zu ermutigen, ihre eigenen zu entdecken. Und als wir schließlich unterhalb der Drei Zinnen standen und die Männer stolz ihre Familien anriefen – alle mit Kindern, die zu Hause sehnsüchtig warteten – war das ein stiller, bewegender Moment.

Ich muss zugeben, dass ich in dieser Woche eine neue Wertschätzung für diese Alpenüberquerung gewonnen habe. Es ist wirklich beeindruckend, mit eigenen Augen zu sehen – und am eigenen Körper zu spüren – wie sich die Gebirgslandschaften von Tag zu Tag und von Land zu Land verändern. Jeder Tag bringt neues Gelände mit sich: von steilen An- und Abstiegen über sanfte Almwiesen, felsige Passagen, die Trittsicherheit erfordern, bis hin zu ausgesetzten Pfaden entlang tiefer Abgründe und Schneefeldern, die den Einsatz von Grödeln nötig machen. Diese Vielfalt hält einen wachsam, fordert heraus – und versetzt immer wieder in Staunen. Und über allem stehen die atemberaubenden Ausblicke, die einen nie loslassen.

Die Türen bleiben offen

Und ganz plötzlich war alles schon wieder vorbei: ein letztes Bier auf der Hütte, ein Abstieg durch drohende Gewitter, mein Zug nach München, ihr Shuttle nach Berchtesgaden. In den Tagen danach vermisste ich unsere morgendlichen Yoga-Dehnungen, das Geplänkel unterwegs, die tiefen Gespräche, das Lachen, das bis in den Bauch ging – und das gemeinsame Schweigen.

Was mich besonders bewegte: Für viele schien es kein Haken auf einer To-Do-Liste, sondern ein Perspektivwechsel. Eine Rückverbindung mit etwas, das sie vielleicht vergessen hatten. Diese Tour hatte etwas ausgelöst. Sie gingen nicht nur stolz, sondern voller Lust auf mehr: mehr Berge, mehr Bewegung, mehr Momente des Staunens. Sie wollen wiederkommen, mit ihren Familien, um mit ihren Kindern diese Liebe zu den Bergen zu teilen. Das berührt mich. Denn unsere Zukunft braucht genau das: eine Generation, die wieder lernt, diese Orte zu lieben, zu achten und zu bewahren.

Am letzten Tag fragte ich die Gruppe, was sie auf dieser Reise gelernt hatten, was sie überraschte oder besonders berührt hat. Und irgendwann stellten sie die Frage zurück. Meine Antwort war klar: Ich weiß jetzt, dass ich Shanti Treks nicht auf eine bestimmte Gruppe beschränken möchte. Ich will offen bleiben – für alle, die die Natur lieben, respektieren, und bereit sind, die Einfachheit und auch das Unbequeme solcher Touren zuzulassen.

Und fast als letzte Erinnerung an bestehende Vorurteile war es nicht etwa ein Mann, sondern eine Einheimische, die meine Gruppe fragte, ob es für sie nicht komisch sei, hinter einer Frau zu laufen. Meine Jungs – mein Rudel – standen für mich ein. Und sagten: "Wir würden es nicht anders wollen."

Ein Blick nach vorn

Nächstes Jahr wird es eine weitere Watzmann – Drei Zinnen Alpenüberquerung geben. Und – anders als zuvor gedacht – werde ich sie nicht ausschließlich für Frauen ausschreiben, sondern für alle öffnen, die mit Respekt, Neugier und offenem Herzen unterwegs sind.

Ich glaube nicht, dass Sexismus in den Bergen plötzlich verschwunden ist. Ganz und gar nicht. Aber diese Tour hat mir gezeigt, dass Trennung nicht die Lösung ist. Was ich auf meinen Touren brauche, sind Frauen und Männer, die an meiner Seite stehen, die ihre Stimme erheben, wenn es darauf ankommt, und gemeinsam einen Raum schaffen, in dem sich alle gesehen und getragen fühlen. Denn Gleichberechtigung erreichen wir nicht allein, sondern nur gemeinsam.

Wenn dich eine alpenüberquerung reizt, freue ich mich, von dir zu hören. Schreib mir gern, um mehr über die Voraussetzungen zu erfahren – und um als Erste*r von den Terminen für 2026 zu erfahren.

Lass uns gemeinsam die Alpen überqueren.